Kann ich einen Vielfaltsaspekt, etwa Herkunft oder Geschlecht, getrennt von der ganzen Vielfalt des Menschen mit einer Gruppe behandeln? Oder vereinfache und verflache ich damit die Realität unzulässig? Das Modell des Dramatisieren und Entdramatisieren hat mir bei der Beantwortung der Frage geholfen …
Dramatisierende Herangehensweisen können sinnvoll sein, wenn ich als Pädagog_in zum Nachdenken über Vielfaltsaspekte anregen, relevante Strukturen sozialer Ungleichheit sichtbar und besprechbar machen, Vorurteile direkt adressieren oder z.B. historisches Wissen vermitteln will. D.h. der Vielfaltsaspekt wird bewusst und explizit reflektiert, anstatt nur als Analysefolie im Hintergrund mitzulaufen.
Dramatisierende Herangehensweisen bergen aber auch Risiken: Sie können Stereotype befördern, indem diesen mit der entgegengesetzten Absicht thematisch Raum gegeben wird. Andere Unterscheidungsmerkmale, sei es auf der gesellschaftlichen oder auf der individuellen Ebene, treten bei dramatisierenden Herangehensweisen leicht in den Hintergrund. Daher erfordert dramatisieren in jedem Fall ein gutes Konzept der Entdramatisierung, um paradoxen Effekten weit möglichst entgegen zu wirken.
Entdramatisierende Herangehensweisen lassen sichtbar bzw. erfahrbar werden, dass der thematisierte Vielfaltsaspekt weder die einzige noch die wichtigste Kategorie individueller wie gesellschaftlicher Differenz ist.
Entdramatisierende Herangehensweisen sollten immer auf dramatisierende Situationen folgen. Sie belassen den Vielfaltsaspekt nicht im Vordergrund, sondern sie reagieren auf eine Situation, in der ein Vielfaltsaspekt in den Mittelpunkt gestellt wurde, um diese Fokussierung wieder zu relativieren.
Die wesentlichen oben genannten Inhalte, sowie das folgende Schaubild stammen aus einem Artikel von Katharina Debus, der auf der Webseite Jungenarbeit und Schule zu finden ist: http://jus.dissens.de/index.php?id=218 1
- Debus, Katharina (2012): Dramatisierung, Entdramatisierung und Nicht-Dramatisierung in der geschlechterreflektierten Bildung. Oder: (Wie) Kann ich geschlechterreflektiert arbeiten, ohne geschlechtsbezogene Stereotype zu verstärken?, in: Dissens e.V./Debus, Katharina/Könnecke, Bernard/Schwerma, Klaus/Stuve, Olaf (2012) (Hrsg.): Geschlechterreflektierte Arbeit mit Jungen an der Schule. Texte zu Pädagogik und Fortbildung rund um Jungen, Geschlecht und Bildung, Berlin, S. 149-158. Schaubild S. 151 ↩