Ein modernes Festival und koloniale Bilder? Warum Afrikafestivals oft einen rassistischen Beigeschmack haben, erklärt am Beispiel von Würzburg.

Es ist wieder soweit, wieder hängen überall in den Straßen Plakate für das Afrikafestival. Im Mai sind dann die Straßen der Innenstadt flankiert mit wehenden Fahnen, die das Logo des Festivals zeigen. Doch was ich da sehe, ist in meinen Augen ein gefährliches Spiel mit viel zu einfachen und unreflektierten Klischees.

Ganz vorne weg, ich finde es toll und bewundernswert, dass in Würzburg jedes Jahr ein großes Festival mit aktuellen Musikern und Künstlern vom afrikanischen Kontinent stattfindet. Hier wird eine frische, kreative und medial vernachlässigte Seite der Länder Afrikas gezeigt. Die folgende Kritik möchte daher konstruktiv verstanden werden. Ja, wir brauchen ein neues Bild der Länder Afrikas, aber dann bitte konsequent, ohne kolonialistisch geprägte Klischeebilder und mit Mut zu neuen Bilder- und Erlebniswelten!

Afrika Festival in Würzburg
Afrika als Sammelbegriff

Das Afrika sehr oft eher als Sammelbegriff für die sehr unterschiedliche Länder Afrikas benutzt wird ist leider eine Tatsache. In dem Sammelbegriff Afrika verschmelzen die enormen Unterschiede der Länder von Ägypten bis Südafrika schnell zu Klischees, Stereotypen und groben Verallgemeinerungen. Hier beginnt für mich die Misere des Afrika-Festivals. Diese enorme namentliche Verallgemeinerung ist einzigartig, oder haben sie schon mal von einem Asien-Festival oder einem Südamerika-Festival gehört? Afrika-Festivals dagegen gibt es regelmäßig und überall in Deutschland.

Das Logo – eine Beleidigung?

Sicher bin ich als Trainer ein bisschen übersensibilisiert und trotzdem frage ich mich, warum es nicht schon seit langem einen Aufschrei der Empörung gegen das Logo des Afrika-Festivals gegeben hat. Das Logo zeigt stilisierte Silhouetten traditionell gekleideter, halbnackter Menschen. Die Ausgabezahl des Festivals ist eine stilisierte Antilope.

Das Logo wird seit 1989 verwendet. Erst 2019 fragt die lokale Mainpost: Africa Festival: Ist das Logo rassistisch?

In dem Artikel wird dann erklärt, dass das Motiv des Logos ein Ausschnitt von uralten Felsgravuren und Malereien in der namibischen Wüste ist. Der Gründer und Leiter des Festivals Stefan Oschmann wird zitiert mit: „Das Bild zeigt tanzende Figuren, es steht für die Lebensfreude Afrikas, genau die wollen wir zeigen, und genau deshalb haben wir es gewählt.“ Die Erklärung des weißen Festivalgründers Oschmann, der das Bild für das Logo in einem Buch gefunden hat, scheint dem Journalisten auszureichen. Gute Absicht – also kein Rassismus? Der Artikel zitiert zwar die Aussage von Addis Mulugeta, geboren 1983 in Äthiopien, Journalist und Friedenspreisträger der Stadt Würzburg, er halte das Logo für „eine Beleidigung für den gesamten Kontinent“, fragt aber an keiner Stelle, warum diese schwarze Perspektive dies so wahrnimmt.

Um zu verstehen, warum die jahrtausende alte Darstellung eines Trancetanzes als Logo für ein Afrika-Festival vielleicht nicht nur mit Lebensfreude, sondern auch mit anderen Assoziationen verbunden ist, muss man sich kritisch mit den in Deutschland verbreiteten Afrika-Bildern auseinander setzen.

 

Verbreitete Bilder von “Afrika”

Sicherlich knüpft das Logo damit an bestehende Bilder von “Afrika” an: einem Kontinent mit anheimelnder Rückständigkeit und Natürlichkeit, wo Menschen und Tiere noch wild sind. Dieses Bild vermitteln uns Kinderbücher (schauen sie z.B. mal in einen Kinderatlas), Medienberichte und Reisekataloge.

Darstellung Afrikas in einem Kinderatlas

Was ist schlimm an Klischees?

In meinen Seminaren sagt an dieser Stelle dann immer Irgendjemand: “Na und? – das gibt es doch auch noch in Afrika, die Nacktheit genauso, wie die Wildtiere. Warum sollte man es daher auch nicht zeigen. Natürlich sind es Stereotype, aber das sind Lederhose und Dirndl doch auch! Deutschland hat es auch nicht geschadet, dass diese Darstellungen unser Bild nach außen prägen!”. Ich muss diesen Teilnehmer*innen recht geben und gleichzeitig entschieden wiedersprechen.

Das schlimme an Klischees und Stereotypen, sagt die nigerianische Autorin Chimamanda Adichie, ist nicht, dass sie unwahr sind, sondern dass sie unvollständig sind.1 So zeigen sie uns immer und immer wieder nur eine Wahrheit und blenden andere aus. Natürlich passiert das auch in Bezug auf Deutschland. Doch gerade Deutschland gibt jährlich über 800 Mio. Euro für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik aus, um das Bild entscheidend mitzugestalten. Viele Länder Afrikas haben nicht solche Etats. Bis heute haben es Bilder des modernen, technologisierten, städtischen Afrikas schwer, zu uns zu gelangen. Für viele Menschen Europas ist es eine Überraschung, wenn sie moderne Großstädte wie Maputo, Luanda oder Nairobi sehen.

Warum Klischees zu “Afrika” einen ganz besonderen Hintergrund haben

Seit der Kolonialzeit bestimmen vor allem Europäer das Bild “Afrikas” in Europa. Dabei wurde “Afrika” schon früh als Gegenbild zu Europa gezeigt. Während sich die Europäer fortschrittlich, bekleidet und mit modernen Waffen ausgestattet, zeigten; wurden die Menschen “Afrikas” eher als “Wilde”, halbnackt, in der Entwicklung auf einem primitivem Level stehengeblieben mit einfachen Waffen, wie Lanzen und Speeren abgebildet. Den Rahmen der bildlichen Beschreibung boten Hütten aus Stroh und die Wildnis mit exotischen Tieren, im Gegensatz zu den modernen Städten Europas. Dieser Prozess der bildlichen Darstellung von “Andersartigkeit” wird im wissenschaftlichen Kontext als othering/ Veranderung bezeichnet.

Hinter den herabwürdigenden Darstellungen gab es ein wichtiges Kalkül: Die Legitimation von Herrschaft, Gewalt und Kolonialisierung. D.h. die Darstellung der wilden, halbnackten Afrikaner, die in Hütten in der Wildnis leben, dienten gleichzeitig als Begründung der eigenen Überlegenheit und damit der Rechtfertigung zur Missionierung und Ausbeutung.


koloniale Bilder

Nacktheit, Hütten, Tiere …

Dabei sind also die drei Elemente Nacktheit, Hütten und exotische Tiere nur verschiedene Elemente einer umfassenden Diffamierungsstrategie. Dass diese Reduktion “Afrikas” auf diese drei Bildelemente bis heute anhält, beweisen leider hunderte moderne Bilder, die aus unserem Alltag. Egal, ob Werbung, Spendensammlung, Nachrichten oder Festivals, fast immer sehen wir auf Bildern zu Afrika eher Natur/Dorf (wild/traditionell) als Stadt (zivilisiert/modern) und eher Halbbekleidete als Menschen in Jeans und T-Shirt.

Afrika-Bilder Heute ...

Afrika-Festival-Würzburg – Hast Du das nötig?

Im Bewusstsein der kolonialen Bildgeschichte verbieten sich daher Logos und Dekorationen, die ein modernes Afrika mit archaischen Bildern darstellen wollen. Außerdem würde niemand auf die Idee kommen, ein Festival moderner französischer Musik mit einem Logo zu bewerben, das Höhlenzeichnungen aus Lascaux aufgreift.

Die Abwertung von Menschengruppen, Ländern und Kontinenten bezeichnet man als rassistisch. Sicherlich geht es keinem der engagierten Veranstalter*innen des Afrika-Festivals um eine solche Abwertung. Das Logo und die Aufmachung (Strohhütten-Eingangsbereich und die Allgegenwart von exotischen Tierfiguren) sprechen für mich aber leider noch die Sprache einer langen und leidvollen Bildtradition mit rassistischem und kolonialen Einflüssen. Ist das nötig? Kann eine moderne Musikkultur nur mit alten Klischeebildern beworben werden? Ist die Zeit nicht reif, die Menschen und Lebensrealitäten Afrikas als gleich statt anders, als bekleidet statt unbekleidet und als modern statt traditionell zu zeigen?

Klischee-Festival Würzburg
Schaufenster zum Afrikafestival in Würzburg

Afrika Festivals in Deutschland: bunt, exotisch, rassistisch?

Die Kritik könnte auf viele Afrika-Festivals im ganzen Land übertragen werden. Kaum ein Festivalplakat, auf dem nicht Sonnenuntergänge, einsame wilde Landschaften mit exotischen Tieren einladen. Auf kaum einem Festival fehlen Trommelmusik und Aufrufe für Entwicklungsprojekte. Afrika bleibt in all diesen Volksbelustigungen in der Ecke, in die die Kolonialisten es damals haben wollten, exotisch (fremd), rückwärtsgewandt, hilfebedürftig.


Afrika Festivals in Deutschland

Chance für neue Bilder!

Das größte Afrika-Festival Europas könnte hier mit positivem Beispiel vorrangehen. Wie wäre es mit einem mutigen neuen Logo? Wie wäre es damit neben den Künstlern auch mit dem ganzen Setting ein modernes Bild der verschiedenen Länder Afrikas zu zeigen. Eine neue Werbestrategie könnte sogar bewusst mit der Gegenüberstellung überkommener und moderner Bilder arbeiten und so die Menschen zum weiterdenken, neudenken auffordern.

Die Benutzung der “Nacktheit, Hütten, Tiere-Darstellungen” ist für mich nicht nur unzeitgemäß sondern auch gefährlich. Wer die Länder Afrikas nicht kennt, bekommt mit solchen Inszenierungen seine abwertenden Bilder (und damit verbundenen Vorstellungen über “Afrika”) bestätigt. Ich glaube nicht, dass die Organisator*innen das wollen!


  1. siehe ihren großartigen Vortrag “the danger of a single story” unter: http://www.ted.com/talks/chimamanda_adichie_the_danger_of_a_single_story?language=de