Es ist wieder soweit, die Klänge des 27. Afrikafestivals klingen über den Main in den Würzburger Sommerabend. Überall in den Straßen hängen Plakate, vor dem Rathaus wehen Fahnen. Doch was ich da sehe, ist in meinen Augen ein gefährliches Spiel mit viel zu einfachen und unreflektierten Klischees.
Ganz vorne weg, ich finde es toll und bewundernswert, dass in Würzburg ein großes Festival mit aktuellen Musikern und Künstlern vom afrikanischen Kontinent stattfindet. Hier zeigt sich eine frische, kreative und medial vernachlässigte Seite der Länder Afrikas. Die folgende Kritik möchte daher konstruktiv verstanden werden. Ja, wir brauchen ein neues Bild der Länder Afrikas, aber dann bitte konsequent, ohne kolonialistisch geprägte Klischeebilder und mit Mut zu neuen Bilderwelten!
Afrika als Sammelbegriff
Das Afrika sehr oft eher als Sammelbegriff für die sehr unterschiedliche Länder Afrikas benutzt wird ist leider eine Tatsache. In dem Sammelbegriff Afrika verschmelzen die enormen Unterschiede der Länder von Ägypten bis Südafrika schnell zu Klischees, Stereotypen und groben Verallgemeinerungen. Hier beginnt für mich die Misere des Afrika-Festivals. Diese enorme namentliche Verallgemeinerung ist einzigartig, oder haben sie schon mal von einem Asien-Festival oder einem Südamerika-Festival gehört? Afrika-Festivals dagegen gibt es regelmäßig und überall in Deutschland.
Das Logo geht gar nicht!
Sicher bin ich als Trainer ein bisschen übersensibilisiert und trotzdem frage ich mich, warum es nicht schon seit langem einen Aufschrei der Empörung gegen das Logo des Afrika-Festivals gegeben hat. Hier sind stilisierte Silhouetten traditionell gekleideter, halbnackter Menschen abgebildet. Die Ausgabezahl des Festivals ist eine stilisierte Antilope.
Verbreitete Bilder von “Afrika”
Sicherlich knüpft das Logo damit an bestehende Bilder von “Afrika” an, einem Kontinent mit anheimelnder Rückständigkeit und Natürlichkeit, wo Menschen und Tiere noch wild sind. Dieses Bild vermitteln uns Kinderbücher (schauen sie z.B. mal in einen Kinderatlas), Medienberichte (z.B. die WM-Berichterstattung aus Südafrika) und Reisekataloge.
Was ist schlimm an Klischees?
In meinen Seminaren sagt an dieser Stelle dann immer Irgendjemand: “Na und? – Das gibt es doch auch noch in Afrika, die Nacktheit genauso, wie die Wildtiere. Warum sollte man es daher auch nicht zeigen. Natürlich sind es Stereotype, aber das sind Lederhose und Dirndl doch auch! Deutschland hat es auch nicht geschadet, dass diese Darstellungen unser Bild nach außen dominieren!”. Ich muss diesen Teilnehmer_innen recht geben und gleichzeitig entschieden wiedersprechen.
Das schlimme an Klischees und Stereotypen, sagt die nigerianische Autorin Chimamanda Adichie, ist nicht, dass sie unwahr sind, sondern dass sie unvollständig sind.1 So zeigen sie uns immer und immer wieder nur eine Wahrheit und blenden andere aus. Natürlich passiert das auch in Bezug auf Deutschland. Doch gerade Deutschland gibt allein 2015 ca. 817 Mio. Euro für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik aus, um das Bild entscheidend mitzugestalten. Viele Länder Afrikas haben nicht solche Etats. Bis heute haben es Bilder des modernen, technologisierten, städtischen Afrikas schwer, zu uns zu gelangen. Für viele Menschen Europas ist es eine Überraschung, wenn sie moderne Großstädte wie Maputo, Luanda oder Nairobi sehen.
Warum Klischees zu “Afrika” einen ganz besonderen Hintergrund haben
Seit der Kolonialzeit bestimmen vor allem Europäer das Bild “Afrikas” in Europa. Dabei wurde “Afrika” schon früh als Gegenbild zu Europa gezeigt. Während sich die Europäer fortschrittlich, bekleidet und mit modernen Waffen ausgestattet, zeigten; wurden die Menschen “Afrikas” eher als “Wilde”, halbnackt, in der Entwicklung auf einem primitivem Level stehengeblieben mit einfachen Waffen, wie Lanzen und Speeren abgebildet. Den Rahmen der bildlichen Beschreibung boten Hütten aus Stroh und die Wildnis mit exotischen Tieren, im Gegensatz zu den modernen Städten Europas. Dieser Prozess der bildlichen Darstellung von “Andersartigkeit” wird im wissenschaftlichen Kontext als othering/ Veranderung bezeichnet. Hinter den herabwürdigenden Darstellungen gab es ein wichtiges Kalkül: Die Legitimation von Herrschaft, Gewalt und Kolonialisierung. D.H. die Darstellung des wilden, halbnackten Afrikaners, der in Hütten in der Wildnis lebt, diente gleichzeitig als Begründung der eigenen Überlegenheit und damit der Rechtfertigung zur Missionierung und Ausbeutung.
Nacktheit, Hütten, Tiere …
Dabei sind also die drei Elemente Nacktheit, Hütten und exotische Tiere nur verschiedene Elemente einer umfassenden Diffamierungsstrategie. Dass diese Reduktion “Afrikas” auf diese drei Bildelemente bis heute anhält, beweisen leider hunderte moderne Bilder, die aus unserem Alltag. Egal, ob Werbung, Spendensammlung, Nachrichten oder Festivals, fast immer sehen wir auf Bildern zu Afrika eher Natur/Dorf (wild/traditionell) als Stadt (zivilisiert/modern) und eher halbbekleidete als Menschen in Jeans und T-Shirt.
Afrika-Festival-Würzburg – hast Du das nötig?
Die Abwertung von Menschengruppen, Ländern und Kontinenten bezeichnet man als rassistisch. Sicherlich geht es keinem der engagierten Veranstalter_innen des Afrika-Festivals um eine solche Abwertung. Das Logo und die Aufmachung (Strohhütten-Eingangsbereich und die Allgegenwart von exotischen Tierfiguren) sprechen für mich aber leider noch die Sprache einer langen und leidvollen Bildtradition mit rassistischem und kolonialen Einflüssen. Ist das nötig? Kann eine moderne Musikkultur nur mit alten Klischeebildern beworben werden? Ist die Zeit nicht reif, die Menschen und Lebensrealitäten Afrikas als gleich statt anders, als bekleidet statt unbekleidet und als urban statt ländlich zu zeigen?
Afrika Festivals in Deutschland: bunt, exotisch, rassistisch?
Die Kritik könnte auf viele Afrika-Festivals im ganzen Land übertragen werden. Kaum ein Festivalplakat, auf dem nicht Sonnenuntergänge, einsame wilde Landschaften mit exotischen Tieren einladen. Auf kaum einem Festival fehlen Trommelmusik und Aufrufe für Entwicklungsprojekte. Afrika bleibt in all diesen Volksbelustigungen in der Ecke, in die die Kolonialisten es damals haben wollten, exotisch (fremd), rückwärtsgewandt, hilfebedürftig.
Chance für neue Bilder!
Das größte Afrika-Festival Deutschlands könnte hier mit positivem Beispiel vorrangehen. Wie wäre es mit einem mutigen neuen Logo? Wie wäre es damit neben den Künstlern auch mit dem ganzen Setting ein modernes Bild der verschiedenen Länder Afrikas zu zeigen. Eine neue Werbestrategie könnte sogar bewusst mit der Gegenüberstellung überkommener und moderner Bilder arbeiten und so die Menschen zum weiterdenken, neudenken auffordern.
Die Benutzung der “Nacktheit, Hütten, Tiere-Darstellungen” ist für mich nicht nur unzeitgemäß sondern auch gefährlich. Wer die Länder Afrikas nicht kennt, bekommt mit solchen Inszenierungen seine abwertenden Bilder (und damit verbundenen Vorstellungen über “Afrika”) bestätigt. Ich glaube nicht, dass die Organisatoren das wollen!
- siehe ihren großartigen Vortrag “the danger of a single story” unter: http://www.ted.com/talks/chimamanda_adichie_the_danger_of_a_single_story?language=de ↩