Antisemitismus bezeichnet Judenfeindlichkeit, die Diskriminierung bzw. Abwertung von jüdischen Menschen. Diese wird mit angeblich unveränderbaren Eigenschaften von Juden begründet. Dabei wirken manche Stereotype gegen Juden seit der Antike bis heute in den Antisemitismus hinein.
Verbreitung des Antisemitismus
- Laut Mitte Studie 2022/23 ist beim Antisemitismus erneut eine Zunahme zu verzeichnen. Zwar lehnt die Mehrheit der Befragten antisemitische Aussagen ab, gleichwohl tendierten sie bei den Aussagen zum klassischen Antisemitismus stärker als zuvor zur mittleren Antwortkategorie »teils/teils« und auch eher zur Zustimmung. 7 % der Befragten meinen jüdische Menschen hätten »eher« oder »voll und ganz« eine Mitschuld an ihren Verfolgungen, 11 % meinen dies »teils/teils«.
- Laut der repräsentativen Befragung des Religionsmonitors 2023 stimmen 21 Prozent der Bevölkerung klassisch antisemitischen Aussagen zu wie „Die Juden haben zu viel Einfluss in unserem Land“.
Statt der klassischen Formen des Antisemitismus äußern einige in Deutschland ihren Antisemitismus subtiler, vielfach in Form von antisemitischen Aussagen mit Israelbezug, den sogenannteisraelbezogenen Antisemitismus.
- Wegen des politischen und militärischen Vorgehens der israelischen Regierung im Nahostkonflikt können 15 % der Befragten der Mitte Studie 2022/23 »gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat«.
- 43 % stimmen laut Religionsmonitor 2023 der Aussage zu „Was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben.“ (israelbezogener Antisemitismus).
Eine weitere Form des modernen Antisemitismus ist der Sekundäre bzw. geschichtsbezogene Antisemitismus. Dieser wirft Juden den Versuch einer Vorteilsnahme durch den Holocaust vor.
- 16,5 % stimmen laut Mitte Studie 2022/23 dem Vorwurf heutiger Vorteilsnahme von Jüdinnen und Juden wegen der Vergangenheit des Nationalsozialismus zu. 19 % machen diesen Vorwurf teilweise.
Der geschichtsbezogene Antisemitismus ist die bestimmtenste Form des Antisemitismus im deutschen Rechtspopulismus, wie z.B. in der AFD.
Antisemitistische Diskriminierungen und Straftaten
Laut Lagebild Antisemitismus 2020/21 treten öffentlich wahrnehmbare antisemitische Erscheinungen wellenförmig auf. Mal sinkt die Zahl antisemitischer Vorfälle, dann steigen sie wieder an.
Daraus lässt sich jedoch nicht der Umkehrschluss ziehen, dass Antisemitismus mal ab- und dann wieder zunimmt. Im Gegenteil: Antisemitismus ist in der Gesellschaft jederzeit latent vorhanden und breit mobilisierbar.
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ist ein deutlicher Anstieg antisemitischer Vorfälle und Übergriffe zu verzeichnen:
- Mehr als 5.700 Straftaten erfasste das BKA seit dem 7. Oktober im Zusammenhang mit dem Nahost-Krieg (Stand 14. Februar 2024). Bisher wurden rund 4.200 Delikte als politisch motiviert eingestuft. Darunter sind rund 1.800 antisemitische Straftaten – die meisten werden einer „ausländischen Ideologie“ oder „religiösen Ideologie“ zugeordnet.
- Dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung zufolge wurden insgesamt rund 2.250 antisemitische Straftaten seit dem 7. Oktober 2023 erfasst (Stand 25. Januar 2024) – darunter auch Straftaten, die den Behörden zufolge nicht direkt im Zusammenhang mit dem Krieg stehen.
- Die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V. (RIAS) verzeichneten zwischen dem 7. Oktober und 9. November 994 antisemitische Vorfälle, darunter 3 Fälle extremer Gewalt, 29 Angriffe und 72 Sachbeschädigungen. 71 Fälle fanden an Bildungseinrichtungen statt. Die Mehrheit der Fälle konnte keinem politischem Spektrum zugeordnet werden. Jeder fünfte Vorfall fand online statt – die meisten dieser Vorfälle gehen mit Gewalt- und Vernichtungsfantasien bis hin zu Morddrohungen einher.
Literatur zu Antisemitismus
- Anne Frank Haus Amsterdam (Hrsg.): Alle Juden sind… 50 Fragen zum Antisemitismus“. Mülheim a.d.R. 2008.
- Albert Scherr, Barbara Schäuble: „Ich habe nichts gegen Juden, aber…“ – Ausgangsbedingungen und Ansatzpunkte gesellschaftspolitischer Bildungsarbeit zur Auseinandersetzung mit Antisemitismus, 2007
- Heike Radvan: Pädagogisches Handeln und Antisemitismus. Eine empirische Studie zu Beobachtungs- und Interventionsformen in der offenen Jugendarbeit. Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung, 2010.
- Meron Mendel, Astrid Messerschmidt (Hrsg.): Fragiler Konsens. Antisemitismuskritische Bildung in der Migrationsgesellschaft, Campus Verlag 2017.
- Wolfgang Benz: Was ist Antisemitismus, München 2014
Texte zu Antisemitismus
- Dossiers über Hintergründe, Ansätze im Themenfeld: https://www.anders-denken.info/informieren
- Lagebild Antisemitismus 2016/2017
- Studie “Jüdische Perspektiven auf Antisemitismus in Deutschland“ 2017
- Bundeszentrale für Politische Bildung/Zentrum für Antisemitismusforschung (Hrsg.): Antisemitismus in Europa – Vorurteile in Geschichte und Gegenwart. Arbeitsmaterialien und Lehrerhandreichung. Bonn 2008
- Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Antisemitismus. Aus Politik und Zeitgeschichte. Heft 31/2007, Bonn 2007
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