Der Anti-Bias-Ansatz möchte eine intensive erfahrungsorientierte Auseinandersetzung mit Macht und Diskriminierung ermöglichen und die Entwicklung alternativer Handlungsansätze zu diskriminierenden Kommunikations- und Interaktionsformen fördern.
Schieflagen angehen
„Bias“ bedeutet Voreingenommenheit oder Schieflage. Mit “Anti-Bias” soll deutlich gemacht werden, dass neben dem Fokus auf individuellen Vorurteilen und Haltungen einzelner Menschen, insbesondere auch gesellschaftliche Schieflagen, Macht- und Herrschaftsverhältnisse in der Anti-Bias-Arbeit in den Blick genommen werden müssen.
Der Anti-Bias-Ansatz ist ein Ansatz der politischen Bildungsarbeit und gleichzeitig auch eine Haltung oder ein Selbstverständnis. Anti-Bias-Ansatz ist weniger eine Zusammenstellung bestimmter Methoden und deren Anwendung, sondern vielmehr ein langer Weg der Auseinandersetzung mit Diskriminierung. Das Konzept versteht sich daher auch als offenes Konzept, welches auch auf Methoden anderer Konzepte zurückgreift, die den Zielen und der Haltung der Anti-Bias-Arbeit entsprechen.
Wesentliche Ziele hat die Fachstelle Gender & Diversität NRW in einem prägnanten Video zusammengefasst:
Muster aufbrechen – Vielfalt wertschätzen
Anti-Bias zielt darauf, für das Themenfeld Diskriminierung zu sensibilisieren, Mechanismen und Funktionsweisen auf subjektiver und gesellschaftlicher Ebene zu verstehen und die eigenen Perspektiven, Handlungsweisen und Positionierungen in ihrer Verstrickung mit gesellschaftlich vorherrschenden Selbstverständlichkeiten kritisch zu reflektieren. Hier überschneidet sich der Ansatz in vielen Bereichen mit dem Social-Justice Ansatz.
Hintergrund und Rezeption
Der Anti-Bias-Ansatz wurde Anfang der 1980er Jahre von Louise Derman-Sparks und Carol Brunson-Philips in Kalifornien entwickelt. Seit Ende der 1990er Jahre wird auch in Deutschland auf verschiedenen Ebenen mit dem Anti-Bias-Ansatz gearbeitet: Anti-Bias findet man heute in der politischen Erwachsenenbildung, im universitären Kontext, aber auch in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und Schülern.
Für die Arbeit mit Kindern wurde der US-amerikanischen Anti-Bias-Ansatz (Anti-Bias Approach) in Deutschland vom ISTA bzw. der Fachstelle Kinderwelten zusammen mit dem Situationsansatz für eine vorurteilsbewusste Bildungs- und Erziehungsarbeit in Kitas und Schulen adaptiert. Die Fachstelle zeigt damit gut, wie der Anti-Bias-Ansatz in der Praxis genutzt werden kann.
Diskriminierung & Unterdrückung
Zentraler Inhalt der Anti-Bias-Arbeit ist die Auseinandersetzung mit Diskriminierung und Unterdrückung. Dabei konzentriert sich der Ansatz (anders als beispielsweise klassische Antirassismustrainings) nicht auf eine spezifische Diskriminierungsform, sondern nimmt verschiedene Formen von Diskriminierung in den Blick. Immer wieder geht es darum, Funktionsweisen und Mechanismen von Diskriminierung bewusst zu machen und zu verstehen. Wie auch bei der Intersektionalität sind in diesem Zusammenhang besonders die vielschichtigen Verstrickungen und gegenseitigen Abhängigkeiten der verschiedenen Kategorien (wie z.B. soziale Klasse, sexuelle und amouröse Orientierung, Gender, körperliche und neurologische Fähigkeiten, Alter etc.) untereinander von Bedeutung.
Macht
Im Zusammenhang mit dem Thema Diskriminierung nimmt auch die Auseinandersetzung mit situativen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen eine wichtige Rolle ein. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass Machtverhältnisse alle Situationen mitbestimmen und es keine herrschaftsfreien Räume gibt, die außerhalb dieser Verhältnisse liegen. Der Anti-Bias-Ansatz zielt deshalb darauf, die eigene Machtposition (sowohl in konkreten Situationen als auch innerhalb gesellschaftlicher Herrschaftsstrukturen) zu reflektieren, die Selbstverständlichkeit eigener Privilegien zu hinterfragen, Handlungsmöglichkeiten (auch in benachteiligten Positionen) zu entwickeln, und auf dieser Grundlage zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Machtposition zu gelangen.
Bilder, Vorurteile und Stereotype
Ein weiteres wichtiges Themenfeld für Anti-Bias sind Differenzierungen, Zugehörigkeiten, Zuschreibungen von Bildern, Vorurteilen und Stereotypen. Der Anti-Bias-Ansatz geht davon aus, dass alle Menschen Vorurteile haben und sogar haben müssen. Bei den Trainings geht es also eher darum eine vorurteilsbewusste Haltung zu entwickeln, als Vorurteile auszutreiben. Die Auseinandersetzung mit Vorurteilen und Differenzierungen setzt dabei bei der Reflexion eigener Zugehörigkeiten und eigener Selbstverständlichkeiten an. So schauen sich junge Deutsche zunächst einmal die Stereotype über Deutschland an, bevor sie sich Fremdbildern zuwenden.
Im Dreischritt zu neuen Handlungsoptionen
Lernprozesse werden in der Anti-Bias-Arbeit durch eine Abfolge von 1. Selbstreflexion, 2. Austausch und 3. Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten strukturiert.
Eigene Haltung reflektieren
Die Anti-Bias-Methoden sind immer sehr Erfahrungsorientiert, so dass die Teilnehmer_innen anhand biografischer Erfahrungen lernen oder die Erfahrungen im konkreten Seminarkontext, in der konkreten Lerngruppe miteinbeziehen können. Auch hierzu noch einmal ein gutes Video von der Fachstelle Gender & Diversität NRW:
Literatur zum Anti-Bias-Ansatz
- „Hier bist du richtig, wie Du bist!“ — Theoretische Grundlagen, Handlungsansätze und Übungen zur Umsetzung von Anti-Bias-Bildung für Schule, Jugendarbeit, Soziale Arbeit und Erwachsenenbildung, Düsseldorf 2020: Download oder Bestellung unter: https://www.idaev.de/publikationen/veroeffentlichung-zur-anti-bias-bildung
- Anti-Bias-Netz (Hrsg.): Vorurteilsbewusste Veränderungen mit dem Anti-Bias-Ansatz, Lambertus 2015