Rassismus ist eine sehr komplexe Macht- u. Diskriminierungsform. Grundidee des Rassismus: Menschengruppen haben verschiedene Wertigkeiten aufgrund ihrer Herkunft bzw. äußeren Erscheinung. Der klassischer Rassismus hat biologische Unterschiede unterstellt und „Menschenrassen“ definiert und hierarchisiert.

Definition von Rassismus

Es gibt sehr verschiedene Definitionen von Rassismus. Die folgende Definition von Rommelsbacher macht wichtige Punkte zum Verständnis von Rassismus sichtbar:

Rassismus ist …

  1. “Ein System von Diskursen und Praxen, die
  2.   historisch entwickelte und
  3.   aktuelle Machtverhältnisse legitimieren und reproduzieren.“1

Und zwar unter Rückgriff auf die diskursiven Mechanismen: Naturalisierung, Homogenisierung, Polarisierung und Hierarchisierung:2

  • Naturalisierung – Verhaltensweisen, Charakterzüge, Fähigkeiten, usw. werden als biologisch determiniert angesehen
  • Homogenisierung – alle Mitglieder der Fremdgruppe besitzen die gleichen Merkmale
  • Polarisierung – Gegenüberstellung der beiden Gruppen (es gibt nichts dazwischen, gesellschaftlicher Diversität und Hybridisierung werden ignoriert)
  • Hierarchisierung – Gruppenzugehörigkeit ist verknüpft mit Besser-/Schlechterstellung, bspw. hinsichtlich des Zugangs zu Ressourcen und gesellschaftlichen Institutionen

Hier findet ihr eine praxisbezogene Arbeitsdefinition von Rassismus, welche die wesentlichen Merkmale von Rassismus auch anhand spezifischer Rassismen analysiert.

Verbreitung des Rassismus

Rassistische Einstellungen in Deutschland laut Mitte Studie 2022/23:

Nur wenige Befragte stimmen den rassistischen Aussagen über Schwarze Menschen zu, in ihrer großen Mehrheit lehnen die Befragten offenen Rassismus ab.

Dennoch äußern knapp 10 % zu mindestens einer der beiden Aussagen ihre Zustimmung.

Der moderne oder zeitgemäße Rassismus, wie er sich in den gemessenen Einstellungen widerspiegelt, unterläuft den Verdacht des Rassismus und leugnet ihn. Er erscheint harmlos, weil er ja nicht auf einen offenen, harten und biologischen Rassismus reduziert werden kann wie im Rechtsextremismus. Dennoch wird die vermeintliche „Natur der anderen“ oder jener mit anderer Hautfarbe oder Abstammung aufrechterhalten und als Differenz herausgestellt.

Die biologische Begründung ist durch die Gentechnik lange widerlegt und wird tatsächlich in der Mehrheit der deutschen Bevölkerung nicht mehr angenommen. Selbst rechte Bewegungen und Parteien, wie z.B. die NPD, hat diesen klassischen Rassismus jetzt durch eine subtilere, und damit aber auch sehr gefährliche neue Form ersetzt, den sogenannten kulturellen Rassismus.

Kultureller Rassismus

Bei dem kulturellen Rassismus, ist an die Stelle von „Rasse“ das Wort „Kultur“ getreten.

Es wird behauptet, dass bestimmt Gruppen z.B. „die Araber“, „Sinti- und Roma“, „Geflüchtete“ eine eigene, andere Kultur haben (die geringwertiger ist) und damit weniger Rechte beanspruchen darf, mit unserer Kultur unvereinbar ist und daher zurückgeführt werden muss. Bestimmte Lebensweisen/Traditionen werden also als unvereinbar miteinander behauptet.

Laut Mitte-Studie 2022/23 sind bei kulturellen Rassismus hohe Zustimmungswerte festzustellen. Annähernd jede:r zweite Befragte stimmt dabei Etabliertenvorrechten zu (48 %); knapp jede:r Dritte »teils/teils« (30 %). Fast jede:r fünfte Befragte (18 %) befürwortet ein Einwanderungsverbot für Muslim:innen. Mehr als ein Drittel (34 %) unterstellt Geflüchteten Sozialmissbrauch. Etwas mehr als ein Viertel (28 %) halten Sinti:zze und Rom:nja »eher« oder »voll und ganz« für kriminell. Insgesamt teilen 31 % der Bevölkerung jenerassistischen Einstellungen.

Rassismus als Machtstruktur

Mark Terkessidis bemerkte : “Jeder der in Deutschland aufwächst, hat rassistisches Wissen … “

Demnach ist Rassismus eine komplexe Einstellung und Machtstruktur, die im Kolonialismus entstanden ist und auch heute noch über Medien, Erziehung, Bildungseinrichtungen usw. bewusst oder unbewusst reproduziert wird.

Die meisten in Deutschland sind sich dessen aber nicht bewusst … die „Weißen“ (alle die das Privileg haben nicht von Rassismus betroffen zu sein) leben, so die Autorin Tupoka Ogette, in ihrem Buch “exit RACISM” einem „Happyland“ …3

Happyland ist eine Welt, in der Rassismus das Vergehen der Anderen ist. Im Happyland wissen alle Bewohner*innen, dass Rassismus etwas Grundschlechtes ist. Rassismus ist NPD, Baseballschläger, Glatzen und inzwischen auch die AFD. […]

Hinzu kommt, dass man in Happyland davon ausgeht, dass Rassismus etwas mit Vorsatz zu tun hat. Damit man etwas rassistisch nennen kann, muss es mit Absicht gesagt oder getan worden sein. Eine Wirkung, die der Verursachende desselben nicht beabsichtigt hat, liegt entsprechend nur im Auge des Betrachters und der Verursachende trägt keinerlei Verantwortung dafür.”

Tupoka Ogette: exit RACISM

Spezialformen des Rassismus sind: Gajet-Rassismus / Rassismus gegen Sinti und Roma, Antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus.

Rassistische Diskriminierungen – Mikroargressionen

Die Wirkung einer Aussage oder Handlung ist ausschlaggebend dafür, ob etwas rassistisch ist oder nicht! Gerade die stetigen, sich wiederholenden, scheinbar harmlosen kleinen Bemerkungen, Blicke, Diffamierungen kratzen immer wieder die gleiche Stelle, bis eine blutende Wunde entsteht. Oft wundern sich dann die Privilegierten, warum die Betroffenen so stark reagieren…, “war ja nicht so gemeint…”

Die sogenannten Mikroagressionen kann man sich als kleine Mückenstiche vorstellen, einzeln unangenehm aber nicht erwähnenswert. Aber wenn man jeden Tag und immer und immer wieder von Mücken gestochen wird, beeinträchtigt dass das Leben enorm, macht auch kleine Blicke und Bemerkungen unerträglich.

Tipp: Ein als Text archivierter Audiobeitrag über Mikroaggressionen beschreibt, wie ständige, kleine, oft unbewusste Handlungen und Äußerungen sich auf Personen, die von Diskriminierung betroffen sind, als permanente psychische und physische Belastung auswirken: Azadê Peşmen für Deutschlandfunk Kultur (2018): “Wie Tausende kleine Mückenstiche – Rassismus macht den Körper krank”

Studien des Harvard-Centers fanden z. B., heraus, dass Rassismuserfahrungen, die offenen, aber auch die subtilen zu extrem negativen Stressbelastungen führen können. Über längere Zeit können Depressionen und Autoimmunkrakheiten begünstigt werden und zu psychischen Unwohlsein führen.

Da Mikroagressionen nicht absehbar sind und in allen Bereichen des Lebens plötzlich auftauchen können, befinden sich viele Betroffene in einem permanenten Zustand der Vorsicht „racial stress“ genannt. Studien belegen, dass die Auswirkungen von Mikroagressionen im Alltag zu den gleichen Symptomen und Belastungen führen können, die auch von posttraumatischen Belastungsstörungen hervorgerufen werden.

Hier ein paar kleine, aber sich ständig wiederholende rassistische Mückenstiche, die Deutsche erleben, weil sie rein äußerlich als „anders“ betrachtet werden …

#auchichbindeutschland (Bilder)

Alltagsrassismus

Bei der Wohnungs- oder Jobsuche müssen sich schwarze Menschen und People of Colour, Menschen mit Fremderscheinenden Namen, alle die als anderes“ gelesen werden, bei einer Ablehnung fragen, habe ich Wohnung oder Job nicht bekommen, weil ich schwarz bin? Der alltäglich stattfindende praktische Rassismus wird Alltagsrassismus genannt. In einer Amnesty-Broschüre zu Alltagsrassismus werden diese Praktiken eingehend beleuchtet.

Rassismus und Sprache

Rassismus ist tief in der Alltagssprache verankert. Bei einigen Begriffen und Bezeichnungen ist das offensichtlich, bei anderen subtiler. Fast immer haben die Wörter eine längere Geschichte, die eng mit Kolonialismus und teilweise tödlichen Diskriminierungspraxen verbunden ist, und die wie unsichtbare Eisklippen unter den scheinbar so harmlosen Worten schwimmen.

Dass viele Wörter früher in Alltag und Kinderbüchern als “normal” galten und erst jetzt problematisiert werden führt in der Öffentlichkeit immer wieder zu Diskussionen. Der Blick unter die Wasseroberfläche ist daher wichtig! Woher kommen die Wörter und Bezeichnungen? Was ist mit Ihnen verbunden? Welche (Aus)Wirkungen haben diese Bezeichnungen auf People of Color?

Ausführliche Hintergrundinformationen über das Das N-Wort sind zum Beispiel in „Don‘t you call me N*!“ von Grada Kilomba Ferreira zu lesen.4

Rassistische Gewalt & Straftaten

Aber auch Rassistische Gewalt steigt in den letzten Jahren wieder drastisch an. 2015 wurden 13.846 einschlägige rassistische Straftaten registriert. 2016 über 1000Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte.

2018 zählte das Bundesinnenministerium (BMI) 7.701 rassistische Straftaten. Das waren rund 20 Prozent mehr als im Vorjahr. 971 der Delikte waren Gewalttaten. In der Statistik des BMI werden rassistische Delikte als „fremdenfeindlich“ bezeichnet. Der Begriff ist allerdings umstritten: Er sei ungenau und gebe die Perspektive der Täterinnen und Täter wieder, kritisieren Fachleute.5

Rassistische Straftaten zählen zum Bereich der sogenannten „Hasskriminalität“ – ebenso wie antisemitische, islamfeindliche und antiziganistische Delikte, die jeweils separat erfasst werden. Insgesamt registrierten die Behörden 2018 mehr als 8.000 solcher Hassverbrechen. 2016 waren es noch über 10.000.6

Struktureller Rassismus

Literatur zu Rassismus

  • Aladin El-Mafaalani: Wozu Rassismus? Von der Erfindung der Menschenrassen bis zum rassismuskritischen Widerstand, Kiwi 2021
  • Alice Haster: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten, hanserblau 2019
  • Susanne Wernsing Christian Geulen, Klaus Vogel (Hrsg.): Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen, Wallstein Verlag 2018
  • Naika Foroutan, Christian Geulen, Susanne Illmer, Klaus Vogel, Susanne Wernsing (Hrsg.): Das Phantom Rasse. Zur Geschichte und Wirkungsmacht von Rassismus, Böhlau Verlag 2018
  • Susan Arndt: AfrikaBilder: Studien zu Rassismus in Deutschland, Unrast 2006
  • Susan Arndt: Die 101 wichtigsten Fragen – Rassismus, Becksche Reihe 2012
  • Susan Arndt, Nadja Ofuatey-Alazard (Hrsg.): Wie Rassismus aus Wörter spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk, Unrast 2011
  • Noah Sow: Deutschland Schwarz Weiß, Goldmann 2009
  • Tupoka Ogette: exit RACISM. Rassismuskritisch denken lernen, Unrast 2017
  • Wulf D. Hund: Wie die Deutschen weiß wurden. Kleine (Heimat)Geschichte des Rassismus, Metzler 2017
  • María do Mar Castro Varela, Paul Mecheril (Hrsg.): Die Dämonisierung der Anderen. Rassismuskritik der Gegenwart,  transcript 2016
  • Annita Kalpaka, Nora Rätzel, Klaus Weber (Hrsg.): Rassismus. Die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein, Argument Verlag 2017
  • Elina Marmer, Papa Sow (Hrsg.): Wie Rassismus aus Schulbüchern spricht. Kritische Auseinandersetzung mit »Afrika«-Bildern und Schwarz-Weiß-Konstruktionen in der Schule – Ursachen, … Handlungsansätze für die pädagogische Praxis, Beltz 2015

Texte zu Rassismus

Materialien zu Rassismus

Webseiten zu Rassismus

Anti-Rassismustrainings

Blogeinträge zu Rassismus

Videos

„Jilet Ayşe“ (Idil Baydar) erklärt in „Aufklärung 8.0“ den Ursprung von Rassismus und seine tiefe Verankerung in den gesellschaftlichen Strukturen:

Der Blog „Bin ich schuldig?” stellt unverblümt die Frage: „Machen wir uns – als Teil einer weißen deutschen Gesellschaft – direkt oder indirekt des Rassismus schuldig?“  Zu dieser Frage wurden auf der Seite fünf Expert*innen mit Rassismus-Erfahrung konfrontiert:

  1. Birgit Rommelspacher: Was ist eigentlich Rassismus?, in: Claus Melter und Paul Mecheril (Hrsg.): Rassismuskritik. Band 1: Rassismustheorie und -forschung. Wochenschau-Verl, S. 25–38, S. 29.
  2. Ebd.
  3. Tupoka Ogette: exit RACISM. Rassismuskritisch denken lernen, Unrast 2017
  4. Grada Kilomba Ferreira: Don’t You Call Me Neger! Das NWort. Trauma und Rassismus?, in: ADB Köln, Cybernomads, The Black Book. Deutschlands Häutungen, IKO Verlag, 2004. http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/afrikanische-diaspora/59448/das-n-wort?p=all
  5. Bundesinnenministerium (2019): Politisch Motivierte Kriminalität im Jahr 2018, S. 5; Bundesinnenministerium (2019): Straf- und Gewalttaten im Bereich Hasskriminalität 2017 und 2018, Berechnung des MEDIENDIENST; Glossar der Neuen deutschen Medienmacher: „Ausländerhass“, „Fremdenfeindlichkeit“.
  6. Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (2019): Hasskriminalität; Bundesinnenministerium (2019): Übersicht „Hasskriminalität“ 2001-2018″, S. 2.

    Viele rassistische Straftaten tauchen in der Statistik des BMI nicht auf. Das liege unter anderem daran, dass viele Betroffene Vorfälle nicht anzeigen. Zudem seien Polizeibehörden nicht ausreichend für Rassismus sensibilisiert, um rassistische Straftaten als solche zu erkennen. Opferberatungsstellen erfassen daher deutlich mehr Delikte als die Behörden.[5. Kati Lang(2018): Rassistische Straftaten – Warum behördliche Statistiken nicht aussagekräftig sind, Expertise für den MEDIENDIENST.