Unter dem Titel „Die distanzierte Mitte“ beleuchtet die neue FES-»Mitte-Studie« 2022/23 rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen und Hintergründe und regt zur Debatte an.
Auf Basis einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage werden in der Reihe der Mitte-Studien die Verbreitung, Entwicklung und Zusammenhänge sozialer und politischer Einstellungen analysiert, um Auskunft über aktuelle und langfristige Herausforderungen der Demokratie und Gesellschaft zu geben.
Die jüngsten Ergebnisse zeigen: Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Krisen und Konflikte (Pandemie, Inflation, Klimakatastrophe, Krieg in der Ukraine) distanziert sich ein deutlich größerer Anteil der Mitte der Gesellschaft von demokratischen Werten, Normen und Grundprinzipien als in den Erhebungen der Vorjahre. Unsicherheiten und Verteilungskonflikte bieten das Einfallstor für antidemokratische Positionen und rechtsextreme Ideologien, wie auch zur Abwertung der „Anderen“.
Die wichtigsten Erkenntnisse der Mitte-Studie 2022/23
1. Rechtsextreme Einstellungen sind stark angestiegen und weiter in die Mitte gerückt.
Jede zwölfte Person in Deutschland teilt ein rechtsextremes Weltbild. Mit 8 % ist der Anteil von Befragten der Mitte-Studie 2022/23 mit klar rechtsextremer Orientierung gegenüber dem Niveau von knapp 2 bis 3 % in den Vorjahren erheblich angestiegen. Dabei befürworten mittlerweile über 6 % eine Diktatur mit einer einzigen starken Partei und einem Führer für Deutschland (2014-2021: 2-4 %). Über 16 % behaupten eine nationale Überlegenheit Deutschlands, fordern »endlich wieder« Mut zu einem starken Nationalgefühl und eine Politik, deren oberstes Ziel es sein sollte, dem Land die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zustehe.
2. Ein Teil der Mitte distanziert sich von der Demokratie, ein Teil radikalisiert sich.
Das Vertrauen in die Institutionen und in das Funktionieren der Demokratie sinkt auf unter 60 %. Ein erheblicher Teil der Befragten vertritt verschwörungsgläubige (38 %), populistische (33 %) und völkisch-autoritär-rebellische (29 %) Positionen.
3. Menschenfeindliche Einstellungen sind wieder auf hohem Niveau.
Insgesamt übersteigt die Tendenz zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in der aktuellen Mitte-Studie das hohe Vor-Corona-Niveau von 2018/19. Jede:r zehnte Befragte ist dabei grundsätzlich verschiedenen Minderheiten in der Gesellschaft gegenüber feindselig und diskriminierend eingestellt.
4. Nationale Orientierung zur Krisenbewältigung mit demokratiegefährdenden Einstellungen.
Angesichts der vielen jüngeren Krisen wie der Pandemie, dem Ukrainekrieg, der Inflation, dem Klimawandel und anderen ungelösten Problemen äußern rund 42 % der Befragten Unsicherheit. Doch zur Frage, wie die Gesellschaft den Mehrfachkrisen begegnen soll, ist die Bevölkerung zwiegespalten: 53 % befürworten eine Rückbesinnung auf das Nationale, fordern eine Schließung nach außen und erachten vermeintlich deutsche Werte, Tugenden und Pflichten als wesentlich für den Umgang mit den Krisen. Dies geht mit einer höheren Zustimmung zu demokratiegefährdenden Einstellungen einher.
5. Die Mehrheit der Bevölkerung sieht den Klimawandel als große Bedrohung und hat eine klimapolitisch progressive Haltung.
6. Einsamkeit und soziale Ungleichheit schwächen die gesellschaftliche Teilhabe und Demokratie.
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