Transkulturelle Kompetenz? Differenzmanagement? Neue Kulturkonzepte wie die Transkulturalität haben entscheidende Auswirkungen auf unseren Blick auf menschliche Begegnungen und unsere Herangehensweise an Befremdung. Hier finden sie mehr zu pädagogischen Überlegungen und Konsequenzen in der Perspektive der Transkulturalität.
Folgende Ansätze der transkulturellen Pädagogik habe ich aus diversen Büchern und der eigenen Praxis zusammengetragen:
Abwendung von Kollektiverklärungen – hin zur individuellen Voraussetzungen
Transkulturelle Bildung sensibilisiert für die Dinge die wirklich zählen. Statt unflexibler Scheinsicherheiten (DOs and DON’Ts) und undifferenzierten Kulturstandards bietet die transkulturelle Bildung ein universelles Analyseschema an, welches flexibel auf menschliche Begegnungen überall auf der Welt angewendet werden kann. Das Gegenüber wird dabei nicht als Schublade, sondern als Mensch gesehen.
Dass die Herkunftskultur prägend und wichtig ist, wird dabei nicht negiert. Der Herkunftskultur wird allerdings ein anderer Stellenwert zugewiesen. Gefragt wird nicht woher jemand kommt, sondern was ihn prägt.
Anknüpfungspunkte für Begegnungen entdecken
Der transkulturelle Ansatz sucht für die Begegnungssituation zunächst nach Gemeinsamkeiten und damit Anknüpfungspunkten, statt Differenzen zu betonen.
Transkulturalität kann daher erklären, warum wir uns manchen Menschen im Ausland schnell nahe fühlen, während uns einige Menschen aus dem eigenen Land fremd und unzugänglich erscheinen. Verständigung ist eben nicht eine Frage der Herkunft, sondern eine Frage von Gemeinsamkeiten.
Bei allen Differenzen und Konstruktionen von Andersheit und Fremdheit gibt es stets Fragmente, die das kulturelle Individuum mit anderen Individuen in Verbindung setzt. Ein Individuum, in dessen Identität eine ganze Reihe kultureller Muster Eingang gefunden hat, besitzt bezüglich der Vielzahl kultureller Praktiken und Manifestationen, die sich in seiner gesellschaftlichen Umwelt finden, größere Anschlusschancen […].
Aus je mehr Elementen die kulturelle Identität eines Individuums zusammengesetzt ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass eine Schnittmenge mit der Identität anderer Individuen besteht […].
Sie werden in der Begegnung mit Fremden eher in der Lage sein, statt einer Haltung der Abwehr Praktiken der Kommunikation zu entwickeln.1
Wolfgang Welsch
Differenzmanagement
Natürlich dürfen Unterschiede nicht außer Acht gelassen werden. Denn letztlich sind gerade sie es, die zu der gefürchteten Befremdung und Unsicherheit führen. Dabei gilt es nicht nur auf die Herkunft, sondern grundsätzlich auf die Persönlichkeit des Gegenübers zu schauen, um Missverständnisse und Befremdung an der richtigen Stelle zu klären. So kann in einem internationalen Team nicht die Landeskultur oder Sprache das auschlaggebendes Kriterium für Konflikte sein, sondern ggf. Altersunterschiede oder unterschiedliche Erfahrungsgrade innerhalb des Berufs.
Suche nach dem Eigenem im Anderen und nach Anderem im Eigenen
Fremdheit ist keine Eigenschaft von Dingen oder Personen, und das Fremde ist nicht eine einfache Gegebenheit, sondern eine Konstruktion des Subjekts, eine Abgrenzungsmaßnahme.
Das Verstehen des Anderen als Fremden wird von der kulturwissenschaftlichen Fremdheitsforschung grundsätzlich als Tätigkeit verstanden, die auf Akten des Selbstverstehens, der Selbstauslegung beruht, und zwar derart, „[…] dass die Art und Weise, in der wir die Anderen machen gleichbedeutend ist mit der Art und Weise, in der wir uns selbst machen.2
Ulla Siebert
Der Schwerpunkt beim Transkulturellen Lernen liegt auf dem Bewusstsein für kulturelle Übergänge. Bei der Verständigung über kulturelle Übergänge ist nicht das Verstehen anderer kultureller Elemente ausschlaggebend. Verstehensprozesse sind für sich genommen nie ausreichend, da sie auf einer kognitiven, rationalen und abstrakten Ebene stattfinden. Es geht um die Suche und das Entdecken von eigenen bekannten kulturellen Mustern in den Anderen und um die Suche und das Entdecken von anderen kulturellen Mustern im Eigenen. Die Kategorien Anders, Fremd und Eigen können daher zukünftig lediglich als partielle Zuschreibungen und nicht mehr als universelle Zuschreibung für Kulturen und Individuen Verwendung finden.
Transkulturelles Lernen als Selbstbegegnung
Gewöhnlich wird der Blick zuerst auf das Andere gerichtet. Im Prozess Transkulturellen Lernens ist es dahingegen notwendig sich zuerst mit sich selbst zu beschäftigen um seine komplexe kulturelle Identität kennen zu lernen.
Transkulturelles Lernen versteht sich daher zu aller erst als Begegnung mit sich selbst als Kulturwesen im dreifachen Sinne: als KulturträgerIn, KulturgeprägteR und KulturprägerIn.3
Ken Kupzok
Transkulturelle Kompetenz
Erfolgreiche Begegnungen basieren auf grundlegenden sozialen und persönlichen Kompetenzen (Aufmerksamkeit, Sensibilität, Ambiguitätstoleranz etc.), die bei allen zwischenmenschlichen Begegnungen anwendbar sind. Diese Schlüsselkompetenzen gilt es bei der transkulturellen Kompetenzbildung bewusst zu machen, zu stärken und weiter zu entwickeln.
Transkulturelle Kompetenz-Bildung
Das besondere an einer Kompetenz ist die Verbindung von Wissen und Fähigkeit, vor allem aber die Bereitschaft beides auch anzuwenden. Kompetenzbildung muss daher alle drei Kernelemente der Kompetenz aufgreifen:
- Wissen schaffen
- Fähigkeiten vermitteln oder bewusst machen
- Handlungsbereitschaft motivieren
In Bezug auf die Erarbeitung einer transkulturellen Kompetenz sind daher folgende Schritte notwendig:
- Information (Wie funktionieren Identitätsbildung, soziale Orientierungen, Kulturen und Einstellungen?)
- Sensibilisierung (Eigene Identitäten, Befremdung, Strategien etc.)
- Stärkung/Training/Motivation (Simulation von Begegnungssituationen)
- Welsch, Wolfgang (1998): Transkulturalität. Zwischen Globalisierung und Partikularisierung, in: Mainzer Universitätsgespräche. Interkulturalität. Grundprobleme der Kulturbegegnung. Mainzer Universitätsgespräche 1998, Mainz, S.56. ↩
- Siebert, Ulla (1998): Grenzlinien. Selbstrepräsentationen von Frauen in Reisetexten (1871-1914), Münster. S.48. ↩
- Kupzok, Ken (2011): Die Mühen des Gemeinsamen – Transkulturelle Bildungsarbeit näher bestimmt, in: Ethik und Unterricht – Zeitschrift für die Fächergruppe Ethik / Werte und Normen / LER / Praktische Philosophie 09/2011 ↩