Religiöse Räume sind besonders eindrückliche Lernorte, denn der Glaube einer Religion findet seinen Ausdruck auch in der Gestaltung ihrer Räume und heiligen Stätten. Sie bieten Anlass, über die lebendige Religion und ihre Glaubenspraxis zu sprechen.

Besonders Tempel, Synagogen und Moscheen, aber auch orthodoxe Kirchen sind für Jugendliche der Mehrheitsgesellschaft oft unvertraute Räume, die sich daher sehr gut eignen, einen Zugang zu der betreffenden Religion zu erschließen und Begegnungen zu initiieren. So lassen sich z.B. durch einen gutgeplanten Moschee-Besuch Vorurteile überwinden.
 Buddhistischer Tempel in Berlin

Freiwilligkeit & Transparenz

Wichtig ist auch hier die Freiwilligkeit und die Vorbereitung des Besuchs. Der Besuch religiöser Räume kann sonst als Missionierungsversuch missverstanden werden. Den Jugendlichen und gegebenenfalls ihren Eltern müssen die Ziele und Umstände des Besuchs daher klar sein.

Für Muslime etwa, steht dem Besuch einer Kirche oder Synagoge theologisch nichts entgegen, trotzdem können Eltern das für ihre Kinder kritisch sehen. Ängste, Unwissenheit oder Vorurteile können durch ein Gespräch mit den Eltern ausgeräumt werden. In schwierigen Fällen lohnt es sich, einen örtliche Moschee- oder Gemeindeleiter dazu mit einzubeziehen.Orthodoxe Kirche in Berlin

Vorbereitung

Der Besuch sollte mit der jeweiligen religiösen Gemeinde mit ausreichendem Vorlauf abgesprochen werden. Dabei sind Gebetszeiten, religiöse Fest- und Feiertage (Freitag-Nachmittag im Islam, Samstag im Judentum und Sonntag bei Christen) zu achten. Ob Besuche zu diesen wichtigen Zeiten möglich sind, ist mit der Gemeinde zu klären. Am besten ist es, wenn man bereits bei der Planung der Begegnungen Angehörige der jeweiligen Religionen im Team hat, dann kommt es nicht so schnell zu Missverständnissen und die Bedürfnisse der jeweiligen religiösen Gruppe können von vornherein berücksichtigt werden.

Aber auch mit den Jugendlichen ist der Besuch vorzubereiten. Zuerst sollte über die Erwartungshaltungen an die Aktion gesprochen werden. Was soll mit dem Besuch erreicht werden? Was interessiert die Jugendlichen? Außerdem sollten wichtige Regeln und Fragen bezüglich des Besuchs geklärt werden. Alle sollten wissen, dass sie nicht in einen Zoo gehen, sondern dass sie eingeladen sind. Sie müssen bereit sein, sich vor Ort anzupassen und die Gastrolle zu spielen.

Besuch einer Berliner Moschee

Mit allen Sinnen …

Am eindrücklichsten wirkt der Besuch, wenn die Jugendlichen keine Führung mit vielen Daten und Fakten empfängt, sondern wenn sie selbst die Möglichkeit haben das religiöse Gebäude interaktiv kennen zu lernen:

  • Erkunden lassen (anfassen, hören, riechen, schmecken etc.)
  • Gefühle und Eindrücke reflektieren, Fragen zulassen, Deutungen klären

Raumerkundung

Die Gruppe kann sich von außen nach innen bewegen und dabei immer wieder Impulse für die eigene Wahrnehmung erhalten.

  • Außenraum (umrunden): Größe, Material, Schmuck und Architektur?
  • Vor dem Eintritt: Was ist zu beachten (Mütze ab, Kippa auf, Schuhe ausziehen, etc.)?
  • Innenraum: Welche Atmosphäre strahlt der Raum aus? Welche Sinne spricht der Raum an? Kann man den Raum sehen, hören, riechen, erspüren? Dann können Raumausrichtung, Raumgestaltung und Einrichtungsgegenstände geklärt werden.
  • Besondere Orte: Minarett, Kichturm, Mikwe o.Ä. hinterlassen Eindruck.

Gespräch in einer Moschee

Zettel-Erkundung

Der Innenraum kann mit einer einfachen Methode zunächst allein erkundet werden. Dazu erhält jede_r Jugendliche_r einen Stift und kleinen Stapel quadratischer Notizzettel. Diese Zettel sollen die Jugendlichen im Innenraum des Gebäudes ablegen, und zwar a) mit einem Ausrufezeichen versehen, an Orten/Gegenständen, zu denen sie etwas sagen können oder b) mit einen Fragezeichen versehen, an Orten oder Gegenständen, zu denen sie fragen haben. Anschließend läuft die Gruppe mit einem Vertreter der Religionsgemeinschaft zusammen von Zettel zu Zettel. Dabei können Jugendliche ihre eigenen Erfahrungen und Kenntnisse einbringen und offene Fragen klären lassen.

Zettelerkundung in religiösen Räumen

Begegnungen im Gebäude

Über das Kennen lernen des Raumes können sich leicht weitere religiöse Themen ergeben: z.B. Reinheit, Geschlechterrollen, Ablauf von Gebeten usw. Daher ist es zu empfehlen, den Besuch des Gebäudes mit einer Begegnung mit einem Gläubigen oder einem Funktionsträger der jeweiligen Gemeinde zu verbinden. Gespräche unter der Kuppel einer Moschee oder auf dem Boden eines Tempels sind sehr eindrücklich und bleiben den Jugendlichen oft lange im Kopf.

Wichtige Regeln in religiösen Gebäuden

Allgemein

  • kein Kauen von Kaugummi
  • keine Klingeltöne von Handys, nicht telefonieren
  • kein lautes Reden während der Zeremonie, des Gebets oder des Gottesdienstes
  • Regeln bezüglich der Aufenthaltsbereiche für Männer und Frauen einhalten
  • in katholischen und orthodoxen Kirchen, Moscheen, einigen Synagogen und Tempeln sollten Frauen ihre Schultern und Knie bedeckt halten und auch Männer keine kurze Hosen tragen

Besonderheiten

  • Katholische und Orthodoxe Kirche: Männer müssen ihre Kopfbedeckung ablegen
  • Synagoge: Männer müssen eine Kopfbedeckung tragen
  • Moschee: Schuhe ausziehen, nüchtern sein (keine Alkoholfahne!)
  • Buddhistischer Tempel: Schuhe ausziehen, oft ist Fleisch (z.B. Wurstbrot) unerwünscht
  • Hinduistischer Tempel: Schuhe ausziehen, nüchtern sein (keine Alkoholfahne!)
  • Gurdwara (Tempel der Sikh): Schuhe ausziehen, Kopfbedeckung tragen

Begegnung in einer Moschee