“Kulturelle Brücken bauen”, “Zusammenprall der Kulturen”, “kulturelle Programmierung”, “deutsche Wurzeln”, “kulturelle Fettnäpfchen” … wenn wir über Kultur und Begegnung sprechen, benutzen wir oft eine bildhafte Sprache. Diese ist eingänglich und macht auch komplexe Zusammenhänge begreifbar. Allerdings sind solche Methapern wirkungsvoller als wir oft denken. Ein Plädoyer für einen reflektierten Sprachgebrauch!

Diese Bilder oder Metaphern sind nicht bloße poetische oder rhetorische Mittel, sondern, wie Lakoff und Johnson darlegen, integraler Bestandteil unserer alltäglichen Sprache. Metaphern bestimmen unsere Wahrnehmung, unser Denken und Handeln. 1

Kulturelle Gräben

Spreche ich, wie in der interkulturellen Bildung, ständig über das Überwinden von Gräben, oder das Bauen von Brücken zwischen den Kulturen, entsteht in meinem Kopf ein Bild von getrennten Kulturinseln, die nur mit Mühe miteinander verbunden werden können, Inseln zwischen denen die Wasser der Ungewissheit klaffen!

Vielleicht gibt es aber gar keinen Fluss, der überbrückt werden müsste; vielleicht gibt es keinen Graben der uns voneinander trennen würde. Vielleicht ist die vorgestellte Trennung nur das Ergebnis Jahrhunderte langer nationaler Erziehung, das Ergebnis einer Jahrhunderte langen Bildsprache der kulturellen Apartheid.

Arata Takeda schlägt vor, alternative Denkräume und Bilder zu erschaffen, um den Metaphern der Trennung Bilder der Verbindung entgegenzusetzen:

Während wir Brücken bauen, fließen unter ihr die Völker wie Wassermassen zusammen, und während wir Gräben zuzuschütten meinen, schütten wir auf dem Flachland der Kultur Erdwälle auf. Je mehr alternative Denkräume wir erschließen, je mehr wir uns die historisch unleugbare Tatsache bewusst machen, dass Kulturen miteinander verflochten und ineinander durchdrungen sind, desto zuversichtlicher können wir in eine Zukunft blicken, in der so manches, was heute unser Bild von Wirklichkeit bestimmt obsolet sein wird. 2

Methaper vom interkulturellen Brückenbau

In der transkulturellen Bildbeschreibung haben wir festen Boden unter den Füßen. Fremd- und  Eigenkulturen sind voneinander durchdrungen. Hier tun sich keine Gräben auf. Wir begegnen uns auf der Basis von vielen Gemeinsamkeiten und Schnittmengen.

Kultur-Karambolage

Ähnlich ist es mit der Metapher eines kulturellen Zusammenstoßes, eines „clash of cultures“. Auch hier formt sich in unserem Gehirn unbewusst die Vorstellung von zwei (gegensätzlichen) Einheiten, deren Zusammentreffen eine heftige Wirkung, ja einen Totalschaden verursachen kann. Dagegen lösen Bilder der transkulturellen Sprache genau diesen Gegensatz von kulturellen Einheiten auf. Nichts ist hier säuberlich getrennt, alles ist miteinander verschlungen, voneinander durchdrungen. Hier treffen auch keine Kulturen aufeinander (vielleicht der größte Irrtum, seit es Metaphern der Begegnung gibt) sondern immer Menschen.

Methapern wirken auf unsere Einstellung

Welche Metaphern wir also zur Schilderung von Kultur und Begegnung benutzen, ist keineswegs gleichgültig. Sie hinterlassen nachhaltige Spuren in unserem Denken. Sie schleichen sich, um den kognitiven Linguisten George Lakoff zu zitieren, „auf leisen Sohlen ins Gehirn“.3 In seinem gleichnamigen Buch zeigt der Sprachwissenschaftler, wie nachdrücklich sie unsere Wahrnehmung strukturieren. Bedeutet das griechische Verb metaphérein soviel wie „anderswohin tragen“, verfrachten Metaphern unsere Gedanken unbewusst an bestimmte Orte. „Metaphors hide and highlight“ heißt es im Englischen. Sie verstecken und heben hervor, akzentuieren gewisse Aspekte eines Themas und vernachlässigen andere.

Wege aus der Verwurzelung

Reden wir im Zusammenhang mit Identität von kulturellen Wurzeln, so binden wir Identität im Sinne der Primärkollektivität an einen „Heimatboden“ und machen eine Wanderung zu einem brutalen Akt, der „Entwurzelung“. Sehen wir dagegen Identität als einen Prozess, so ist Veränderung, und auch ein Ortswechsel, nichts pathologisches, sondern ein normales Weiter auf unserem persönlichen Weg.

Methapern der Angst

George Lakoff geht sogar so weit zu behaupten, dass Metaphern „töten können“. So beispielsweise im Fall des Irakkriegs. Dieser sei nämlich durch eine Reihe sprachlicher Operationen gedanklich vorbereitet worden. Der (Bild-)Sprache bedienen sich Politiker, bedienen sich ganze Denkfabriken, um uns zu überzeugen.

Begriffe wie „Deutsche Leitkultur“ mobilisieren Ängste von „Überfremdung“. Während das erste Bild Ordnung und Kontrolle verspricht und einer, wie auch immer verstandenen Primärkultur eines Staates, die Leit- bzw. Führungsrolle zuspricht (nein, wir müssen uns nicht ändern, sondern alle die zu uns kommen!), malt der zweite Begriff das gefährliche Bild einer Welle, die erstickt. Begriffe wie „Migrantenströme“, „Migrationswelle“, „Asylbewerberflut“ und Ähnliche, greifen Begriffe von gefährlich eindringenden Wassermassen auf, um gezielt zu beunruhigen. Aber auch das scheinbar normale Wort “Asylbewerber” ist nicht ganz wertfrei. Hier werden Hilfesuchende zu Menschen, die sich erst einmal beweisen müssen, zu Bewerbern eben.
screenshot von welt.de 07.05.2015

Untergang der Menschenwürde

Auch die Bilder wie „das Boot ist voll“ malen Ängste der Enge und des Untergangs. Hier erscheint das eigene Land als klar abgrenzbare Einheit (die sichere schwimmende Insel im unsicheren Ozean der Globalisierung), die vor Eindringlingen verteidigt werden muss.Spiegeltitel 1991 und Wahlplakat der REPs 2003.

Methapern wie die des überfüllten Bootes, oder der einbrechenden Flüchtlingswellen, können tatsächlich töten und haben es leider schon oft getan. Wenn Sprache Angstassoziationen erzeugt, ist Aggression nicht auszuschließen.

Im Alltag, in den Medien, in der Politik, aber auch in unserer Bildungsarbeit müssen wir Methapern sorgfältig auswählen. Methapern können trennen, töten und verletzen, aber auch eben auch heilen und verbinden.


  1. George Lakoff ist Professor für kognitive Wissenschaft und Linguistik an der University of California, Berkeley und Kodirektor des „Neural Theory of Language Project“ am dortigen International Computer Science Institute. Sein Standartwerk zu Sprachbildern ist auch ins Deutsche übersetzt worden: Lakoff, George, Johnson, Mark (2014): Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern.
  2. Takeda, Arata (2012): Wir sind wie Baumstämme im Schnee. Ein Plädoyer für transkulturelle Erziehung, Göttingen S. 92
  3. Lakoff, George/ Wehling, Elisabeth (2014): Auf leisen Sohlen ins Gehirn. Politische Sprache und ihre heimliche Macht.